Ein Beitrag von Christopher Pinnekamp.

Im letzten September waren zehn Mitglieder des ›Cusanusstudierendengemeinschaft e.V.‹ mit einem alten Omnibus in mehreren Städten unterwegs, um mit den Menschen dort über ihre Fragen zu sprechen. Letztes Jahr hatten wir eine Herbstakademie zum Thema Dialog organisiert, bei der wir erprobt haben, wie verbindende Kommunikation auch jenseits von Sprache funktionieren kann. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung wurde uns klar, dass das, was unserer Gesellschaft fehlt, verbindender Dialog ist – ein Dialog, der jenseits jeglicher Kategorien wie rechts und links oder der Unterscheidung zwischen jung und alt stattfindet. Diese Akademie bildete den Start der diesjährigen Tour, weil dort der Omnibus zu Gast war. In ihm wurde die Idee für unsere Tour geboren, die Wege für eine enkeltaugliche Welt finden sollte, deren Großväter wir selbst sein könnten.

Einige Wochen vor der Tour fanden wir uns damit konfrontiert, dass wir uns für ein Thema entscheiden mussten. In der Zwischenzeit waren schon einige Aufhänger für unsere Tour gefunden und verworfen worden. So zum Beispiel »Digitalisierung«, »Denken lernen« oder »Zukunft erfahren«. Am Ende setzten wir den Titel: »Bild dir deine Frage! Deine Fragen bilden dich!« Was in der Schwierigkeit der Themenfindung Ausdruck fand, war: »Wir wollen etwas tun! Wir können nicht anders, als uns aufzumachen! Aber trotzdem wissen wir noch nicht genau, wo es hingehen soll; nur, dass wir loslaufen wollen, und das gemeinsam!«

Als wir in die erste Stadt fuhren, fühlte es sich so an, als würden wir alleine loslaufen, auch weil zu diesem Zeitpunkt nur drei Menschen an Bord waren, die sich aufmachen wollten. Im ersten Gespräch in einer Fußgängerzone kam uns gleich Dankbarkeit entgegen, und bald stießen noch mehr Menschen zu uns, die kurz entschlossen waren oder schon lange geplant hatten, ein Teil der Buscrew zu werden. Dankbarkeit erfuhren wir für die Offenheit, die wir allem entgegenbrachten, was uns in den kommenden Tagen begegnen sollte. Wir übten uns immer wieder neu darin, alle Meinungen ernst zu nehmen und nachzuvollziehen.
Es wuchs dann auch die Gewissheit, dass wir mit dem Suchen nach Fragen die Verantwortung ernstgenommen hatten, die wir wahrnehmen müssen, um Antworten zu finden. So kam ich auch zu der Antwort, dass eine gute Frage uns näher an die Zukunft bringt als feste Ideologien oder die propagandistische Verbreitung von veralteten Lösungsansätzen.

Und daher gewährt mir zum Abschluss die Bitte –

»Geduld zu haben gegen alles Ungelöste in ihrem Herzen und zu versuchen, die Fragen selbst liebzuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forschen Sie jetzt nicht nach den Antworten, die Ihnen nicht gegeben werden können, weil Sie sie nicht leben könnten. Und es handelt sich darum, alles zu leben. Leben Sie jetzt die Fragen. Vielleicht leben Sie dann allmählich, ohne es zu merken, eines fernen Tages in die Antwort hinein.« (Brief vom 16. Juli 1903 aus Rainer Maria Rilke: ›Briefe an einen jungen Dichter‹)

Christopher Pinnekamp

Student, langjähriger Mitfahrer im ›Omnibus für direkte Demokratie‹.