May I have your love for one certain future?
Kann ich für dich deine Zukunft lieben?
Gesamteindücke zur Tagung
von Niklas Hoyme | campusA, Student Cusanus-Hochschule
Mit diesem Zitat von Orland Bishop im Kopf, verließ ich den „Großen Saal“ des Rudolf Steiner Hauses, in dem der Mittwochmorgen-Vortrag im Rahmen der diesjährigen bildungsART17 stattgefunden hatte. Doch was sollte das heißen, auf einer Tagung in Verbindung mit dem Thema Geld?
Erst im Verlauf dieser Woche dämmerte mir so langsam, wie nah das Geld, das wir alltäglich verwenden, unseren menschlichen Beziehungen steht.
Das Zitat wurde für mich eines der Hauptmotive der diesjährigen bildungsART, auf welcher wir uns mit den Themen Geld – Macht – Freiheit beschäftigten. Gemeinsam mit weiteren Partnern wie der Jugendsektion in Dornach, den Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners, der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland und dem Unternehmerverbund Wirtschaft Neu Denken hatten wir fast ein Jahr mit den Vorbereitungen für diese Woche verbracht.
Am Sonntagabend hatte die Tagungswoche begonnen, in der Cafeteria des Rudolf Steiner Hauses saßen dicht gedrängt die gespannten jungen Menschen. Nach einem künstlerischen, humorvollen und fantasievollen Auftakt waren die Herzen der Teilnehmer geöffnet, sich einer ernsthafteren Geschichte zuzuwenden, der Geschichte des Geldes, in einem Gespräch von Jannis Keuerleber und Orland Bishop. Orland wies uns darauf hin, daß das Geld so ähnlich entstanden ist, wie Gott das Licht erschuf: Fiat Lux – es werde Licht! So ließen auch einige mächtige Menschen das Geld entstehen. Können wir selbst ein anderes Geld, oder einen anderen Umgang damit erschaffen?
Das Besondere in diesem Jahr war, dass nicht nur Studenten des campusA an der Tagung teilnahmen, sondern auch viele externe Teilnehmer aus ganz Deutschland und der Schweiz für diese Tagungswoche den Weg ins Rudolf Steiner Haus nach Stuttgart auf sich nahmen.
Albrecht Hüttig, der sich uns als Fortführer der Waldorf Tradition – er rauche nur Waldorf Astoria Zigaretten – vorstellte, verdeutlichte uns anhand anschaulicher Beispiele in seinem Vortrag am Montag, wie das Geld eine Verabredung, ja ein Vertrag zwischen uns Menschen sei und wir jederzeit auch andere Verabredungen treffen könnten. Ein Geldschein ist nicht mehr Wert, als das Vertrauen, das die Menschen in ihn legen.
Durch die Woche zog sich so eine neue gemeinschaftliche Abmachung der Tagungsteilnehmenden: Wir schufen am Anfang der Woche gemeinsam eine neue Währung: den „Achtsamer“. Alle Geldtransfers auf der Tagung sollten in Achtsamer vonstatten gehen.
Dieses Geldexperiment wurde jeden Nachmittag im sogenannten „spotlightKaleidoskop“ reflektiert und diskutiert. Es wurden Erfahrungen ausgetauscht und für jeden Einzelnen wurde erlebbar, wie das Geld einerseits Zwietracht streuen kann, aber sich andererseits durch die Woche ein tiefes Vertrauen in die Gemeinschaft unter den Teilnehmenden bildete, so dass auch munter geschenkt wurde, wenn jemand in der Schlange zum Mittagessen noch zu wenig „Achtsamer“ in der Tasche hatte. Der Wert des „Achtsamer“ bemaß sich dabei daran, wie viele reale Euros die Teilnehmenden bei jedem Besuch des „Großen Saales“ in die dafür vorgesehenen Körbe legten. Man musste also immer im Voraus bedenken, wie viel man an diesem Tag konsumieren wollte. Manche gaben mehr, manche weniger. Der Kurs schwankte mehrmals am Tag – aber welch Wunder: am Ende der Tagung war der „Achtsamer“ fast auf den Euro genau soviel wert wie am Anfang – also wurden alle notwendigen Kosten von der Tagungsgemeinschaft aufgebracht!
An den Vormittagen und Nachmittagen hatten die Teilnehmer Zeit das Tagungsthema in einzelnen Workshops zu vertiefen. Die Themen reichten von Fragen zum Grundeinkommen über die verschiedenen Arten des Geldes, Kaufgeld, Leihgeld, Schenkgeld nach den Gedanken von Rudolf Steiner, bis hin zu einem Schenkgeldexperiment oder der Frage: „Wie wär’s ganz ohne Geld?“, bei der die Teilnehmer ihren Utopie-Nerv, also ihr positives Denken üben konnten.
An den Tagungsabenden gab es künstlerische Veranstaltungen, die wie alle Morgenvorträge auch für Menschen geöffnet waren, die nicht an der Tagung teilnahmen. Am Montag Abend gab uns das Young Eurythmy Project YEP eine Aufführung, die den Saal des Rudolf Steiner Hauses mit moderner Eurythmie und starker Musik belebte.
Nach einem kurzen Warm Up mit Rhythmus und Gesang durch Lena Sutor-Wernich führte das Else Klink Ensemble jeden Morgen ein Musikstück von Sergei Rachmaninoff auf, welches uns tief berührte.
Einen großen Überblick verschaffte uns ein echter Engländer – Christopher Houton Budd – in dem Vortrag am Dienstag. Er sprach über die Entwicklungen in der Wirtschaft seit Aristoteles und gab uns mit auf den Weg, Rudolf Steiner auch als Ökonom nicht zu unterschätzen. In Bezugnahme auf das dreiteilige Schreiten aus der Eurythmie besprach er die doppelte Buchführung, welche in der heutigen Zeit unabdingbar sei. Seine Arbeit besteht auch darin mit Menschen des ganz normalen Finanzbusiness in London solche Fragen zu besprechen und das Interesse daran wächst.
Am Dienstag Abend lud uns Manfred Bleffert gemeinsam mit weiteren Künstlern auf eine Reise in seine kosmischen Harmonien ein, und am Mittwoch folgte der Abend mit dem Wochenhighlight aus dem letzten Jahr, dem „campusUNIVERSUM“.
Alle Tagungsteilnehmenden und Studierenden am campusA konnten sich eintragen, um an diesem Abend etwas vorzuführen. Das Programm reichte von professioneller Eurythmie über auf der Tagung entstandene Lieder bis hin zu selbst geschriebenen Gedichten und Geschichten.
Silja Graupe führte uns in ihrem Vortrag am Donnerstag an die von Marc Augé beschriebenen „Nicht-Orte“. Einen Aldi Supermarkt zum Beispiel, den wir als Gesellschaft täglich nutzen, der jedoch keinerlei Identität trägt oder Raum für Kommunikation über z.B. die Herstellung der Lebensmittel zulässt. In diese Supermärkte gehen wir um einzukaufen, nicht aber um uns Gedanken darüber zu machen, wie jetzt der Preis des Produktes zu Stande gekommen ist. Diese „Nicht-Orte“ wollen eigentlich unser Schweigen. Anhand dieses Beispiels machte sie uns klar, wie wir von Abmachungen umgeben sind, die wir nicht selbst entschieden haben, mit denen wir aber in unserem alltäglichen Leben zu tun haben.
Am Abend erwartete uns ein weiterer Höhepunkt der diesjährigen Tagung: der Vortrag Christian Felbers über die Gemeinwohlökonomie. Dieser Vortrag fand im evangelischen Bildungsz- und Kulturzentrum „Hospitalhof“ in der Stuttgarter Innenstadt statt.
Schon der Weg bis dorthin wurde besonders gestaltet. Die Vorbereiter hatten einen stadtPARCOURS geplant, bei dem die Teilnehmenden in Gruppen hinunter in die Stadt geführt wurden und verschiedene Stationen mit künstlerisch-kreativen Aufgaben zu bewältigen hatten. Dabei stach ein sog. Flashmob über die Stuttgarter Königsstraße besonders hervor. Wir führten uns abwechselnd an der Hand, wobei immer einer der Paare eine goldene Maske trug. Die Reaktionen der Passanten waren erstaunlich. Von Staunen, Fragen nach einer politischen oder religiösen Aktion bis zu Selfies und Mitschnitten ging die Palette.
Der Vortrag vor ca. 600 Menschen verdeutlichte uns noch einmal, wie wir in unseren heutigen Demokratien die Rechte jedes Einzelnen eigentlich schon recht weit entwickelt haben. Die Rechte des Volkes als Souverän hingegen zeigen noch deutliche Defizite auf. Das wäre die Aufgabe der Zukunft, auch an der Ausbildung dieser Gemeinschaftsrechte zu arbeiten und so auch unser Geldsystem souveräner zu gestalten.
Die diesjährige Kooperation mit dem Hospitalhof für diesen Vortrag war schon der Fingerzeig für weitere gemeinsame Veranstaltungen in den kommenden Jahren.
Durch die bildungsART17 zog sich für mich ein Gefühl der Gemeinschaft, das sich in dem freien und offenen Umgang mit der Tagungswährung widerspiegelte, aber auch der Kaleidoskope am Nachmittag, in denen ein Raum für die gerade aktuellen Themen Im Umgang mit dem „Achtsamer entstehen konnte.
Federführend sind hier Jannis Keuerleber und Orland Bishop zu nennen, welche die Tagung gemeinsam unter diesem Aspekt begleiteten.
Dies zeigte sich auch gerade noch einmal am letzten Tag der Tagung, wo der Weg, den wir gemeinsam auf der Tagung gegangen waren, reflektiert wurde und der Abschluss für jeden spürbar, intensiv, noch einmal die Stimmung der durch die Woche gewachsenen Gemeinschaft sichtbar machte.
In der Gemeinschaft können wir etwas bewirken. Jeder einzelne kann die ersten Schritte in seinem eigenen Leben tun, doch darüber hinaus können wir gemeinsame Verabredungen in der Gemeinschaft treffen und so, wie mit dem „Achtsamer“ geschehen, sogar das Geld erlösen.
Die Währung, die zwischen uns Menschen entsteht, ist womöglich unbezahlbar, wenn wir beginnen uns so wahrzunehmen wie wir sind und beginnen die Zukunft des Anderen zu lieben.
Die Menschen sagen immer, bei Geld hört die Freundschaft auf. Wie wäre es, wenn wir sagen, bei Geld fängt die Freundschaft an?