Geld und der Wille der Zukunft

Die bildungsART 2017
Ein Gesamtbericht von Friederike Faber | Freies Jugendseminar Stuttgart

Reden über Geld und bewusst damit umgehen, ist eine Fähigkeit, die gelernt sein will, denn es gibt kaum ein anderes Medium, dass gleichzeitig so viel ermöglichen und so viel zerstören kann. Reden über Macht ist wesentlich, um sich der Verantwortung bewusst zu werden, die wir tragen, sowohl wenn wir Macht ausüben als auch, wenn wir sie zusprechen. Reden über Freiheit und der Versuch, jeden Augenblick unabhängig zu sein, setzt voraus, dass wir zutiefst ehrlich mit uns selber werden.

In diesen drei Begriffen – Geld, Macht, Freiheit – steckt ein wesentlicher Kern der Thematik unserer heutigen Zeit, gleichzeitig ein riesiges Potential, wenn wir es schaffen unseren Umgang damit noch bewusster zu greifen. Die Auseinandersetzung mit so inhaltsschweren Begriffen, welche nicht nur abstrakt sind, sondern in bestimmten Aspekten unser Leben auf elementarste Weise durchdringen, ist gleichzeitig auch eine Auseinandersetzung mit uns selber.

Die bildungsART 2017 schuf also nicht nur einen Raum, sich äußerlich mit großen Fragen unserer Zeit auseinanderzusetzen, sondern auch gleichzeitig einen Weg nach Innen.

Ein großer Schwerpunkt der Tagung lag, trotz des dreiteiligen Titels, auf dem Geld.

Die während der Tagung verwendete Alternativwährung – der „Achtsamer“ – ermöglichte ein Ausreizen der Grenzen des Geldes auf spielerische Art und Weise. Der Aufbau der Währung auf unser gegenseitiges Vertrauen zog aber auch einen tiefen Ernst nach sich, der das Spiel in die Realität holte, denn wir alle spielen dieses Spiel unentwegt. Wir sind alle betroffen von den Fragen: wie viel nehme ich, wie viel brauche ich wirklich, was kann ich geben? Fragen, denen in dem nachmittäglich stattfindenden „Kaleidoskop“ nachgegangen wurden. Hier wurde ein Raum für offene Gespräche geschaffen, für Fragen und Kritik, ein Raum, um seine eigenen Grenzen im Umgang mit Geld auszutesten und neu zu definieren.

Zum Tagungsbeginn am Sonntag Abend lenkten, nach einem künstlerischen Auftakt, Orland Bishop, spiritueller Arbeiter am Sozialen in Los Angeles, USA, und Jannis Keuerleber, freier Dozent und Kulturwissenschaftler, die Aufmerksamkeit auf die Geschichte des Geldes und daraus hervorgehend auf die Frage, welche Macht wir ihm zusprechen wollen. Denn die Stabilität einer Währung hängt von dem Vertrauen ab, das wir in sie legen und von der Stärke der Autorität, die der Währung ihre Gültigkeit zuspricht.

Die Inhaltsschwere der Themen, welche sich in diesem ersten Vortrag schon erkennen ließ, zog sich in gleichbleibender Intensität durch die Woche.

Albrecht Hüttig, Dozent der Freien Hochschule Stuttgart, stellte im Plenums-Vortag am Montag Morgen die Wertigkeit des Geldes in den Vordergrund, mit dem Fazit, dass Geld immer so viel Wert ist, wie wir Vertrauen in es haben. Das stellte jeden Teilnehmenden vor die Frage, mit welchem inneren Verantwortungsgefühl mit Werten umgegangen werden sollte, denn wir treffen unweigerlich eine Verabredung zwischen Menschen, wenn wir mit Währungen umgehen. Verabredungen, die kein Gesetz sind und jederzeit neu getroffen werden könnten.

Der Dienstag Morgen widmete sich, geführt durch den englischen Wirtschafts- und Finanzhistoriker Christopher Houghton Budd, den wirtschaftswissenschaftlichen Ideen Steiners und wie sie heutzutage durch eine doppelte Buchführung umsetzbar sein könnten. Dabei wurde auch, unterstützt durch farbkräftige und aussagestarke Tafelbilder, sowohl die Geschichte der Wirtschaft als auch ihr heutiger Standpunkt und ihre mögliche Zukunft angesprochen.

Nach diesem Wochenbeginn voller Theorie kam durch Orland Bishop am Mittwoch wieder eine gewisse Bodenständigkeit in die Thematik. Sein Vortrag bezog sich auf die gesamte Menschheit und ihre tiefe Sehnsucht nach einem freien, selbstbestimmten und gemeinschaftlichen Leben in Frieden, eine Gemeinschaft, in der wir uns unserer eigenen Stärke bewusst sind und verantwortungsvoll damit umgehen. Denn die Frage noch Geld muss auch im sozialen Kontext betrachtet werden.

Während der ersten vier Tage der Woche gab es an den Vor- und Nachmittagen, in Form von Workshops, die Möglichkeit, verschiedene Aspekte des Tagungsthemas in kleineren Gruppen zu vertiefen. Hier wurden Fragen besprochen, die sich an Leihgeld, Schenkgeld oder Wertschöpfung richteten, aber auch Fragen nach innerer Freiheit, nach sozialer Gemeinschaft oder nach den Aufgaben unseres Jahrhunderts wurden in künstlerischer oder sprachlicher Form nachgegangen. Die Tage wurden durch verschiedenste Kunst am Abend und später durch gemütliches Beisammensitzen im Nachtcafé abgeschlossen. Zu sehen war die aktuelle Inszenierung der Young Eurythmy Performance Gruppe (YEP!), zu hören die zuerst ungewohnten und dann tief berührenden Klänge des Komponisten und Klangforschers Manfred Bleffert und zu bewundern die verschiedensten Beiträge einzelner Teilnehmer während des für jeden offenen „Campus Universum“.

Der Donnerstag hob sich durch seine Gestaltung von den anderen Tagen ab, zu hören waren dieses mal zwei Vorträge. Prof. Dr. Silja Graupe, Ökonomin und Professorin der Cusanus Hochschule, referierte über sogenannte Nicht-Orte, welche unser Schweigen fordern und uns unmündig machen. Im Zusammenhang mit dem Geld sind das vor allem Einkaufsmärkte, welche uns zu einem Konsum verleiten, dessen Hintergründe wir nicht mehr erkennen können. Sie richtete die Frage danach, in welcher Welt wir leben und in was für einer wir eigentlich leben wollen und auch leben könnten, wenn wir unser Vertrauen ineinander und unser Verständnis füreinander bewusster gestalten.

Der zweite Vortrag von Christian Felber, Begründer des Projekts Gemeinwohl Ökonomie, fand am Nachmittag im Hospitalhof in der Stuttgarter Innenstadt statt. Dorthin wurde durch einen künstlerisch organisierten Stadtparcours geleitet, der trotz des Regens auch den vielen externen Teilnehmenden die Stadt Stuttgart näher brachte. Christian Felber sprach über die Macht, die im Volk liegt und über die Rechte als Souverän, die es ohne Zweifel hat.

Spielerisch brachte er den über 600 Zuhörenden durch Abstimmungsfragen nahe, welche Entscheidungsqualitäten im heutigen System verloren gehen, wenn nur einzelne Autoritäten über z.B. Geldbewegungen entscheiden.

Wenn wir begreifen, dass wir jeden Augenblick Entscheidungen treffen, denn wir können uns nicht nicht entscheiden, dann spüren wir zwar unsere große Verantwortung, aber auch eine große Freiheit. Es wird deutlich, dass wir nicht ohnmächtig in einem System stehen. Diese Erkenntnis ist vor allem für politische und wirtschaftliche Diskussionen sehr spannend, denn sie bestärkt die von Christian Felber angesprochene Freiheit des Volkes. Die Verantwortung, die mit dieser Freiheit einher geht, ist dann keine Last mehr, sondern hat etwas mit Autonomie zu tun. Sie ist die Antwort auf die Fragen, die wir dem Leben stellen. Entschlüsse, die aus so einem Bewusstsein getroffen werden, können unheimlich mächtig sein.

Es wäre schön, wenn von so einer großen und inhaltsschweren Tagung alle mit dem Bedürfnis gingen, jetzt Initiativen zu starten. Die bildungsART hat das Potential einer Sprungschanze, welches in ihr lag, nicht ganz ausgereizt.

Der Input, vor allem in Hinblick auf die Themen Macht und Freiheit, hätte noch größer sein können, die Fragen drängender und konfrontativer und der ganze Aufbau provokanter, direkter, so, dass sich jeder Teilnehmer aktiver und nicht so viel im Hören mit den Themen konfrontiert sieht. Denn so wichtig die beantworteten Fragen auch sind, so wichtig sind auch die Fragen, die sich neu auftun und weiter führen.

Es zeugt von großen Mut, sich so umfassenden Themen anzunehmen. Die Frage danach, wie wir uns bilden können, um zukunftskompetent zu werden, ist eine Herausforderung, die wir annehmen sollten, denn die Antwort liegt schon in der Luft.

In allen ist während dieser Woche etwas passiert, sei es auch nur, dass begonnen wurde, unseren Umgang mit Geld, mit Macht und mit unserer Freiheit bewusster wahrzunehmen. Es geht um kleine, aber bewusste Schritte.

Trotz des Geldthemas konnte eine Gemeinschaft gebildet werden, die sich vertraut. Durch die Tagung konnte ein weiterer Anfang gefunden werden, sich der heutigen Probleme bewusst zu werden, mit ihnen umzugehen und die Angst vor ihnen langsam abzulegen. Auch wenn die Themen noch schwer greifbar sind, irgendwie abstrakt und nicht bis zum konsequenten Ende denkbar, ist deutlich geworden, dass Veränderung und damit Entwicklung eine Frage des Willens ist, des freien Willens und der Macht, die mit diesem Bewusstsein einhergeht.

Wir sollten, wie im Abschlussplenum am Freitag durch Orland Bishop zur Sprache kam, keine Angst vor der Zukunft haben, dann werden wir offener für andere Währungen. Offen für eine Kultur des Schenkens, für ein Aus-dem-Vollen-Schöpfen und für den Mut, uns durch die damit freigesetzte Energie menschheitlich zu verwirklichen und initiativ zu werden. Was immer wir wirklich wollen ist machbar. Wir brauchen nur den Mut, danach zu fragen, unseren Träumen die Realität zuzugestehen und uns die Lösungen zuzutrauen. Wenn wir in das investieren, was wir wirklich brauchen, unsere Zukunft lieben und unsere Fähigkeiten gegenseitig (an-)erkennen, dann schaffen wir eine Gemeinschaftswährung, eine Währung der Geistesgegenwart, und das ist viel mehr als Geld. Das ist auch Macht und Freiheit.