Geld = Buchhaltung: Von der Finanzkrise zu einem modernen Geldverständnis
Vortrag von Dr. Christopher Houghton-Budd am Di, 07.03.2017
Ein Bericht von Fionn Meier
»Wie kriegen wir eine weiche Landung hin?« Zum Glück gab es nach dem Vortrag noch Zeit, um solchen Fragen aus dem Publikum Raum zu geben. Houghton Budd erzählte von historischen Details und führte viele interessante Gedanken aus, doch fertige Antworten wurden nicht gegeben. Am Ende des Vortrags stand dafür ein Bild auf schwarzem Papier (Houghton Budds PowerPointPlus), das man als Anregung zum selber Weiterdenken mit nach Hause nehmen konnte.
Zu Beginn stellte Houghton Budd dar, in welcher Rolle er sich selber befindet. Als Einberufer der Wirtschaftskonferenz des Goetheanums und Autor des Buches ‚Finanzwelt an der Schwelle‘ (Houghton Budd, C. (2011). Finance at the Threshold: rethinking the real and financial economies. Gower, Farnham.) , welches kürzlich bei einem anerkannten wissenschaftlichen Verlag publiziert wurde, und seinem Austausch mit Verantwortungsträger in der City of London, sieht er sich als verbindendes Glied zwischen der modernen Finanzwelt und Rudolf Steiners Ansatz, die Wirtschaft zu verstehen. Seine Zielgruppe sind dabei verantwortungsbewusste und engagierte Menschen, die praktisch in der Finanz- und Wirtschaftswelt tätig sind.
Dass er in diesen Kreisen heute vermehrt auf Interesse stößt, ist sicher einerseits der heutigen Zeitlage zuzuschreiben, aber auch seiner Fähigkeit, die Sprachen beider Welten zu sprechen. Houghton Budd kann so nicht nur die Fehler der heutigen Wirtschaftswissenschaft aufzeigen, sondern auch Brücken bauen.
Als eines der Hauptprobleme der modernen Wirtschaftswissenschaft bezeichnete er in seinem Vortrag ihre Geschichtsvergessenheit. Sie tut so, als gäbe es keine Veränderung. Doch sowohl das Bewusstsein der Menschen, als auch die gesellschaftliche Struktur unterliegt einem stetigen Wandel. Als Beispiel dafür verwies er auf die Zeit der Renaissance. In der Malerei entstand damals die Perspektive und in der Wirtschaft die doppelte Buchhaltung. Bloß ein Zufall? Oder ein Zeichen, dass das menschliche Bewusstsein in der Sinneswelt ankam und dabei sich selbst entdeckte?
Auch wies Houghton Budd darauf hin, dass viele heutige Wirtschaftswissenschaftler noch so denken, wie Adam Smith dachte. Dieser analysierte das Wirtschaftsleben zu einer Zeit, als dieses noch aus verschiedenen Nationalwirtschaften bestand. Heute leben wir jedoch in einer Weltwirtschaft – und das hat Konsequenzen. Wie er dazu weiter ausführte, hatten dies sowohl John Maynard Keynes als auch Rudolf Steiner erkannt. Für beide war klar, dass damit die Zeit des Goldstandards vorbei ist und nun eine neue Form des wirtschaftlichen Ausgleichs notwendig wird. Leider wurde jedoch weder Keynes noch Steiner damals richtig verstanden. Die Folge war, wie Houghton Budd es bezeichnete, »ein grosser Umweg«. Wir haben ein Jahrhundert mit schwersten Katastrophen hinter uns und stehen heute im Wesentlichen wieder am selben Punkt wie vor hundert Jahren.
Wir haben so gesehen eine zweite Chance! Um diese zu ergreifen, so die Kernaussage des Vortrags, haben wir jedoch zu verstehen, dass in einer Weltwirtschaft Geld zur Buchhaltung wird und die Weltwirtschaft von nun an ihren Ausgleich durch das richtige Verhältnis von Kaufgeld, Leihgeld und Schenkungsgeld zu finden hat. Houghton Budd wies auf die zentrale Bedeutung dieser Analyse von Steiner für unsere heutige Zeit hin und fügte noch hinzu, dass dasjenige, was in der Eurythmie als Heben, Tragen und Stellen zu erleben ist, in den Finanzen als Budgetierung, Erfolgsrechnung und Bilanz wieder auftaucht. Diese drei Schritte ermöglichen es dem heutigen Menschen, dasjenige wahrzunehmen, was in seinem Willen lebt und so seiner Biographie eine Orientierung zu geben und sein wirtschaftliches Verhalten in Einklang mit den Mitmenschen zu bringen. (Dieses Thema wurde in den Workshops von Leif Sonstenes und Fionn Meier weiter vertieft, die an dieser Tagung angeboten wurden.)
Nun, wie kriegen wir jedoch nach der Finanzkrise von 2008 eine weiche Landung hin? Dies ist gar nicht so kompliziert, wie es oft dargestellt wird. Houghton Budd wies zum Schluss auf diese aus dem Publikum gestellte Frage noch darauf hin, wieviel anlagesuchendes Kapital heute auf der einen Seite vorhanden ist, und wie vielen Menschen es auf der anderen Seite gegenwärtig verunmöglicht ist, ihre Fähigkeiten zum Wohl der Menschen zur Entfaltung zu bringen. Fazit: Je mehr wir das Kapital dorthin fließen lassen, wo Fähigkeiten vorhanden sind, die zur Entfaltung gebracht werden wollen, desto weicher wird die Landung.