Anlässlich des Themenschwerpunkts „Bildung“ bei der bildungsART 19 im Februar 2019 veröffentlichen wir regelmäßig kurze Interviews mit unterschiedlichen Menschen zu drei Fragen. In diesem Beitrag haben wir Elke Rüpke befragt, Erzieherin und Dozentin am Waldorferzieherseminar Stuttgart.

Zur Person: Elke Rüpke, Ausbildung und Tätigkeit als Waldorferzieherin in Stuttgart und Hannover; Studium der Erzie-hungswissenschaft, Ethnologie und Afrikanistik in Hamburg; Berufstätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin (Universität) und Sozialpädagogin in der ambulanten Jugendhilfe in Hamburg; seit 15 Jahren als Dozentin für die Bereiche Menschenkunde/Entwicklungspsychologie und Pädagogik an der Freien Fachschule für Sozialpädagogik – Waldorferzieherseminar Stuttgart tätig.

1. Was ist/bedeutet Bildung für Sie?

Bildung verstehe ich als das Menschenrecht, sich in allen Bereichen – in Fähigkeiten (=Handeln), seelischen Qualitäten (=Fühlen) sowie Kenntnissen und geistigen Potentialen (=Denken) – lebenslang weiterentwickeln zu dürfen. Meine Möglichkeiten, als Mensch mich mitgestaltend in das Weltgeschehen zu stellen, begründen sich in dieser Bildungs- und Lernfähigkeit. Als Teilbereich, in dem sich Bildung abspielt, sehe ich die formale Bildung in Bildungsinstitutionen wie Schulen und Universitäten. Da geht es zu guten Teilen eher um Gruppen-Identitäten: Welche Bildung braucht der Erstklässler, der Zweitklässler usw., welche Bildung brauchen künftige ErzieherInnen … Ein wohl größerer Teil von Bildung in diesem umfassenden Sinn spielt sich aber informell ab: in den Herausforderungen des Alltags, in der Freizeit, in den Beziehungen und Beziehungskrisen, in den biographischen Verläufen. Darin werde ich eher in meiner individuellen Identität gebildet.

2. Was hat Sie persönlich in besonderem Maße gebildet?

Sicher ist mir manches, das mich persönlich besonders gebildet hat, noch gar nicht bewusst, weil es vielleicht in der ganz frühen Kindheit lag. Bewusst sind mir allerdings drei Faktoren:
Zum einen ist da das Vorbild meiner Eltern, besonders in der Grundhaltung zum Leben und auch in moralischer Hinsicht. Zweitens waren es mehrere längere Aufenthalte im Ausland, während denen ich nicht nur gereist, sondern vor allem auch dort gearbeitet habe. (Bei mir waren das Israel, Nordirland und Südafrika). Dabei habe ich vor allem in Hinblick auf meine kulturelle Identität viel gelernt. Das Dritte, das mich in besonderem Maße gebildet hat, waren persönliche soziale Probleme und biographische Krisen. Das, was mir zunächst als große Schwierigkeit begegnete, wurde, im Nachhinein betrachtet, zu einem echten Entwicklungsanstoß, denn die Schwierigkeiten ließen sich nur nachhaltig überwinden, indem ich an eigenen Schwächen arbeitete. Das Kennenlernen der Anthroposophie war mir dabei in Hinsicht auf die letzten beiden Aspekte eine große Hilfe.

3. Was wünschen Sie sich für die Weiterentwicklung des Bildungssystems?

Ich wünsche mir, dass es Bildungsinstitutionen noch besser gelingt, bei den Lernenden das Interesse und die Freude am Lernen, die Kinder ja ursprünglich haben, zu erhalten und das Interesse für die Welt zu stärken. Zu oft wird anscheinend das Lernen in der Schule, besonders ab der Mittelstufe, als notwendiges Übel, aber nicht als erfüllte Zeit des Erlebens empfunden und entsprechend nicht mit großer eigener Motivation begleitet. Ich denke, dass die Gründe dafür durchaus komplex sind und in Verschiedenem liegen, (vom Strukturellen über das Personelle und die Wirkungen des Medienkonsums bis zum gesellschaftlichen Klima von Verwertbarkeit und Zukunftsängsten), denn das Phänomen findet sich ja in den verschiedensten Schulformen wie auch in der Waldorfschule und auch bei engagierten, kompetenten und begeisternden Lehrkräften. Mir scheint: ohne innere Lernmotivation nützt das beste System nichts, und mit eigener Motivation kann ich unter den verschiedensten Bedingungen lernen.

Das Interview führte Ingolf Lindel,
(Studierender am Eurythmeum, Mitglied des campusA-Koordinationsteams)