Aus aktuellem Anlass haben wir unseren campusA-Initiativkreis zur gegenwärtigen Lage in den verschiedenen Bildungseinrichtungen am campusA, drei Fragen gestellt. In diesem Beitrag befragte Andreas Kehl (Koordinationsbüro) Christian Schlösser, seit 1995 Leiter der Theaterakademie Stuttgart.
A.K.: Wie beeinflusst die aktuelle Situation die Entwicklungen in Ihrer Einrichtung?
Christian Schlösser: Wir mussten das Curriculum der TAS umstellen und haben einige Theoriefächer neu disponiert und dann konnte Onlineunterricht beginnen. Die anfänglichen Berührungsängste wurden schnell überwunden und im Nachhinein wurden die „Meetings“ als eine konzentrierte und intensive Arbeitsform erlebt. Die Arbeit über solche technisch-moderierten Meetings zeigte uns aber dort ihre Grenzen, wo es um intimere Themen ging (zB in der Pädagogik, wo die Fragestellungen sehr persönliche werden können).
Wir überlegen derzeit, einige der Fächer auch weiterhin als Onlineunterrichte durchzuführen.
A.K.: Welche Chancen oder Gefahren sehen Sie in dieser Entwicklung.
Christian Schlösser: Weder das gesprochene Wort noch der Theatervorgang kann sich durch ein technisches Medium transportieren – beide benötigen zwingend die ungeteilte Gegenwart – oder wir sprechen über den Film, der jedoch eine ganz eigene Stellung innerhalb der darstellenden Künste hat. Das unmittelbare Erlebnis des gesprochenen Wortes oder den physischen Präsenz des Schauspielers werden über die Technisierung des Vorganges entpersönlicht – insofern denke ich, dass das eine mit dem anderen nicht vereinbar ist. Eine Lösung wird sich erst zeigen, wenn wir ein Publikum finden das bereit ist, für das Anschauen von Theater, das Hören des unmittelbar gesprochenen Wortes, Interesse, Zeit und…Geld einzusetzen – und diese Bereitschaft ist in den letzten 20 Jahren stetig kleiner geworden.
Nicht selten bedurfte es in der Vergangenheit einer Katastrophe, um der Kunst wieder den Wert zu geben, den sie gesellschaftlich haben muss und der durch andere Impulse für eine Weile verdrängt und in Vergessenheit geraten war. Wir warten also ab, wie sich unser Publikum entscheidet.
A.K.: Was kann das für die Zukunft bedeuten. (Prävention, notwendige Entwicklungsschritte)
Wir gehen mit Enthusiasmus sowohl mit unseren Studenten als auch mit dem Tourneebetrieb der Kompagnie auf die Suche, welche Formen und welche Arbeitsmöglichkeiten für Sprache und Theater sich entwickeln und unter den gegenwärtigen Bedingungen durchführen lassen. Vieles gelingt noch nicht – aber wenn etwas gelingt, können wir dankbar und stolz sein über einen dann offenbar richtigen Schritt in der Weiterentwicklung unserer Aufgaben. Die Zeit fordert uns – aber sie fordert uns auch auf.
Christian Schlösser, Gemeinsam mit seiner Frau Cornelia Elter:
seit 1995 Gründung und Leitung von Theaterakademie Stuttgart,
seit 1998 Gründung und Leitung von Theaterkompagnie Stuttgart