Ein Bericht der Online-bildungsART 21
Von Lydia Roknic, Theresa Wolfesberger und Sebastian Knust
Eigentlich ist die bildungsART eine bunte und intensive Woche auf dem campusA Stuttgart, voller persönlicher Begegnungen. Eigentlich lebt sie von den Beziehungen, von vielen jungen Menschen auf dem campusA, vom informellen Austausch an der Pausentheke oder künstlerischen Aktionen, gemeinsam entstehender Kreativität. Eigentlich. Doch dieses Jahr machte die Corona-Pandemie, wie überall, direkten Kontakt unmöglich. Hat eine bildungsART dann überhaupt eine Chance? Kann ein Gefühl füreinander entstehen, kann der kreative bildungsART-Geist überspringen? Die vergangene bildungsART 21 hat gezeigt: Ja, das geht!
Aber es war ein längerer Weg mit Sackgassen. Der schrittweise verschärfte Lockdown zwang uns immer wieder, unser Tagungskonzept anzupassen. Das Spielfeld wurde immer enger. Am Schluss blieb keine persönliche Begegnungsmöglichkeit mehr übrig, es sei denn über digitale Hilfsmittel wie Zoom. Und trotzdem ließ uns die Frage nach menschlicher Begegnung nicht los. Wir nannten die Tagung „Begegnungswege“ – eigentlich etwas paradox in Anbetracht der Umstände. Doch wir wollten herausfinden, ob Begegnung nicht doch auch über digitale Medien stattfinden kann.
Zu wirklicher Begegnung führt immer ein Weg und wir stellten die Vermutung an, dass uns die Natur, vor allem der Jahreslauf in der Natur, dafür eine wunderbare Hilfe ist. Denn vertieft man sich in die verschiedenen Qualitäten von Winter, Frühling, Sommer und Herbst, so offenbart sich nicht nur ein äußeres Geschehen, sondern sie zeigen auch grundlegende Stufen menschlicher Entwicklung auf: Das innere Aufwerfen von Fragen und Impulsen im Winter; der Frühling, der Bewegung und Ausdifferenzierung schafft; ein Sommer, der Dinge zur Fülle, aber auch zum Abschluss bringt und loslassen lehrt und schließlich der äußerlich abbauende Herbst, mit der Chance zu innerlichen Begegnungen und mutigen Entschlüssen. Entsprechend ordneten wir die einzelnen Tage der bildungsART 21 den Jahreszeiten zu.
Wie gestalteten wir also diese Tage der online bildungsART 21? Die äußeren Umstände – die Verordnungen und die digitalen Medien – markierten die Rahmenbedingungen unseres Spielfelds. Und ja – wir begannen zu spielen. Und zwar mit aller Ernsthaftigkeit, die ein Kind im Spiel aufbringt, mit aller Hingabe, aller Phantasie und allem Ideenreichtum.
Was, wenn es möglich wäre, jeden Morgen gemeinsam zu singen? Dieser Frage folgten Jean Kleeb, Marco Bindelli, Brigitte Holleran und Lena Sutor-Wernich und machten es möglich, dass die Teilnehmenden, alleine vor ihrem Laptop sitzend oder stehend, ihre eigene Stimme in der Mehrstimmigkeit der Künstler*innen erklingen lassen konnten. Und zwar zeitgleich mit den anderen Teilnehmenden, die nicht hörbar, jedoch vorstellbar und zum Teil auch fühlbar waren. Immer wieder konnte so vielleicht für den einen oder die andere ein Zusammenklang entstehen, der resonierte und trug. Überhaupt spielte Musik eine große Rolle. Viele Beiträge wurden musikalisch eingeleitet. Mal von Marco Bindelli am Flügel, mal gemeinsam mit Jean Kleeb an zwei Flügeln und dann im Trio mit Lena Sutor-Wernich (Gesang), Marco Bindelli (Klavier) und Jānis Lielbardis (Bratsche). Dank unseres technischen Teams war es (bei eigener guter Internetverbindung) ein Genuss, in die Klänge einzutauchen und ihnen zu lauschen.
Trotz unseres super engagierten Technikteams traten leider immer wieder technische Schwierigkeiten auf.Aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund fiel plötzlich mal der Ton aus, konnten die digitalen „Gruppenräume“ nicht gestartet werden oder funktionierte eine Bildübertragung nicht. Da ist es gut, wenn man jemanden in den eigenen Reihen hat, der spontan, humorvoll und künstlerisch mit einer solchen Situation umgehen kann. Wir hatten die Clownin Catherine Bryden. Unsere technischen Probleme waren die Geburtsstunde einer neuen Kunstfigur. „I am your technical problem. I can be on your smartphone and on your notebook at the same time. I can be everywhere…!“ Auch Olga Schiefer, Kunstdozentin an der Freien Hochschule Stuttgart, beteiligte sich wieder mit einer Performance. Gemeinsam mit mehreren Studierenden beschäftigte sie sich mit der Frage: „Wie ist es, wenn man selbst zur Pflanze wird und diesen Erfahrungshorizont sinnlich umsetzt?“ Die Ergebnisse sind in Form von Videoaufnahmen auf Youtube zu sehen.
Performance-Videos >
Die inhaltlichen Beiträge waren davon geprägt, nicht ausschließlich konsumierend „am Bildschirm zu hängen“, sondern luden zu Erfahrungen und Begegnungen in uns und an und mit der Natur ein. Am „Wintertag“ führte uns die Sprachgestalterin Rebekka Kreisel durch ein einfühlsam vorgetragenes Märchen in eine winterlich-innerliche Fragestimmmung ein. Johanna Fellner, bio-dynamische Gärtnerin und Pflanzenzüchterin, schickte alle Teilnehmenden bei ihrem Beitrag zum Frühling mit folgender Aufgabe nach draußen: Beobachte in der Natur bewusst eine Pflanze. Was offenbart sie Dir? Ist der Frühling schon da? In welchem Stadium ihrer Metamorphose befindet sich diese Pflanze gerade? Es wurden zahlreiche lebendige Erfahrungen bei dieser Übung gemacht, die viele Teilnehmende nachhaltig zu einem anderen Blick und einer feineren Wahrnehmung für die Natur anstifteten. Andreas Schmitt, Arzt und Forschender an der Universität Tübingen, weckte in der bildungsART-Gemeinschaft ein „historisches Bewusstsein“ für den Ort des campusA und wie dieser mit dem Geist von Steiners Philosophie der Freiheit verbunden ist. Beim herbstlichen Beitrag der beiden Ärzte und Lehrenden an der Uni Witten/Herdecke David Martin und Silke Schwarz waren wir aufgefordert, bei einem kurzen Spaziergang, in Resonanz mit der Umgebung, eine Antwort auf die Frage „Was ist geistiger Mut?“ zu finden. Passend dazu gab es nachmittags die Aufgabe, sich selbst eine Mutprobe zu stellen und sie umzusetzen. Es waren solche echten Erlebnisse, die in der räumlichen Trennung einen Anknüpfungspunkt schaffen konnten. Sie ermöglichten, dass sich ein gemeinsamer, verbindender Erfahrungsraum bildete und nicht ausschließlich ein inhaltlicher Input im Mittelpunkt des Tages stand. Es war eindeutig beobachtbar, dass die Teilnehmenden nach solchen Erlebnissen in Interaktion traten und ein reger Austausch im Tagungs-Chat entstand.
Normalerweise denken wir Begegnung in physischer Präsenz. Die Coronapandemie und Techniken wie Zoom lehrten uns Meetings unabhängig von Räumlichkeit. Johanna Krätschmer aus dem Kernteam schaffte für die bildungsART 21 in einer Kunstinstallation eine Möglichkeit der Begegnung unabhängig von Zeitlichkeit – den „Zeitversetzten Begegnungsraum“. Innerhalb kürzester Zeit entstand im Garten des Jugendseminars eine geheimnisvolle Kuppel. Hier konnten Botschaften hinterlassen, Geschenke in eine Schatztruhe gelegt oder herausgenommen werden.
All diese unterschiedlichen Puzzlestücke bildeten im Gesamtbild eine bildungsART, die zwar nicht eine so dichte Woche wurde, wie wir es gewohnt waren. Aber wir konnten den Rückmeldungen eine große Bereicherung entnehmen. Der Funke des bildungsArt-Geistes sprang über.
Der campusA Stuttgart hat die bildungsART 21 mit folgenden Partnern durchgeführtt:
– EURYTHMEUM STUTTGART
– FREIE HOCHSCHULE DER CHRISTENGEMEINSCHAFT – PRIESTERSEMINAR
– FREIE HOCHSCHULE STUTTGART – SEMINAR FÜR WALDORFPÄDAGOGIK
– FREIES JUGENDSEMINAR STUTTGART
– WALDORFERZIEHERSEMINAR STUTTGART
– IN ENGER ZUSAMMENARBEIT MIT DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT
Kontaktmöglichkeiten und weitere Informationen, Berichte und Bildergalerien zu campusA Stuttgart und zur bildungsART 21 im Internet unter:
www.campusA.de | info@campusA.de