Eindrücke aus dem Eurythmiepraktikum in der Drogennachsorge.
Das zweite Ausbildungsjahr des Eurythmeum absolvierte nach den Osterferien ein dreiwöchiges Praktikum im Berufsfeld Eurythmie. Die Studentin Kristin Salg beantwortete uns in einem Gespräch mit Ingolf Lindel von campusA einige Fragen dazu und schilderte ihre Eindrücke.
campus A: Wo warst du im Praktikum und was hast du dort genau gemacht?
Kristin: Ich habe mein Praktikum in der Fachklinik “siebenzwerge“ für Drogenkrankheiten und Drogennachsorge in Salem am Bodensee gemacht. Dort konnte ich in den Therapiesitzungen der Heileurythmie hospitieren und interessante Erfahrungen sammeln.
campus A: Kannst Du diese Erfahrungen ein bisschen beschreiben?
Kristin: Die Patienten, bei denen ich in den Therapiesitzungen hospitiert habe, hatten ihren klinischen Entzug unmittelbar hinter sich. Es waren tendenziell eher junge Menschen ab 19 Jahren aufwärts, die mit einer Abhängigkeit von THC über Amphetamine bis zu Heroin zu kämpfen hatten.
Rein äußerlich sahen sie ganz normal aus wie du und ich und waren sehr aufgeschlossene und interessierte Menschen. Wenn sie in den Sitzungen aber Heileurythmie gemacht haben, dann konnte man schnell sehen, dass sie enorme Schwierigkeiten hatten. Bei einer Sucht ist das Ich wie abgelöst und geschwächt und dementsprechend haben viele Patienten mit Unsicherheit und Ängsten zu tun. Deswegen war es für viele schwer, in die eigene Aufrichte zu kommen. Sie waren dann oft unsicher und hatten Probleme damit, bei sich zu sein. Nach einer Sitzung hat sich der Zustand dann aber meistens verbessert und man konnte sehen, wie sie sich entspannt haben und besser inkarniert sind.
Sehr beeindruckend war, dass die meisten schon wie intuitiv Gesten gemacht haben, um ihre Unsicherheit und Hilflosigkeit auszuhalten. Ich habe oft gesehen, wie sie mit überkreuzten Beinen da standen oder mit verschränkten Armen, so wie ein eurythmisches E, um sich innerlich einfach besser halten zu können.
campus A: Wie war es für dich persönlich mit suchtkranken Menschen konfrontiert zu sein?
Kristin: Allgemein war es sehr anstrengend über einen so langen Zeitraum jeden Tag Heileurythmie anzuschauen, weil man beim Anschauen eigentlich alles mitmacht und miterlebt.
Und dazu kamen natürlich die Schicksale der Menschen, die zum Teil wirklich sehr hart sind und in denen es eigentlich immer um schwere Traumata und sehr schwierige Familienverhältnisse geht. Einige der Patienten waren Halbwaisen oder die Eltern haben auch schon mit Drogenabhängigkeit zu kämpfen gehabt. Gleichzeitig waren die Patienten aber so aufgeschlossene und aufgeweckte Menschen. Dieser Kontrast war oft ein sehr starker Eindruck.
Am beeindruckendsten war für mich aber zu sehen, wie das Eurythmiemachen die Menschen bewegt. Man konnte in der Bewegung so deutlich sehen, mit welcher Art von Problemen die Patienten zu tun haben und wie sich ihre Haltung durch die Bewegung verändert und gebessert hat. Das ging dann immer auch mit einer Verbesserung der seelischen Situation einher.
Eine sehr krasse Situation war zum Beispiel, als eine Patientin zum ersten Mal in die Heileurythmiesitzung kam und dann während der Bewegung angefangen hat zu weinen. Sie meinte dann, dass sie seit mehreren Jahren nicht mehr geweint hat und die Bewegung etwas in ihr lösen konnte. Das war schon ein sehr starkes Erlebnis.
campus A: Was kannst du jetzt aus deinem Praktikum für dich persönlich aber auch für dein weiteres Studium mitnehmen?
Kristin: Grundsätzlich bin ich froh, mein Praktikum an so einem schönen Ort gemacht zu haben, wo Menschen mit Suchtproblemen wirklich gut durch Ärzte, Therapeuten und Sozialarbeiter betreut werden.
Mir persönlich hat es aber sehr viel in Bezug auf mein Verhältnis zur Eurythmie gebracht, plötzlich wurde die Eurythmie viel realer für mich! Ich habe erlebt, dass man mit der Eurythmie ganz konkrete und handfeste Hilfe für Menschen in Notsituationen leisten kann und dass man die Gesetzmäßigkeit, die hinter einem Laut steht, in seiner Wirkung wirklich ernst nehmen muss. Irgendwie gibt mir das Zuversicht und Mut für das Studium, weil ich beim Praktikum den Eindruck hatte, dass die Eurythmie da total auf den Boden kommt und ganz real wirkt. Natürlich hat das auch sehr mit dem Unterschied zwischen Kunst- und Heileurythmie zu tun, weil das im Grunde genommen zwei ganz verschiedene Dinge sind. Aber es hat mir sehr gut getan zu erleben, dass man mit der Eurythmie so konkret arbeiten kann!
campus A: Wunderbar! Vielen Dank für deine Mühe und deine Zeit uns die Fragen zu beantworten.
Kristin: Gerne.