Tanzen, Malen, Zeichnen, Musizieren, Plastizieren sind Künste und Fertigkeiten, die jedermann zuordnen kann. Ganz anders wird es, wenn die Eurythmie ins Spiel kommt. Denn sie ist die Kunst, die alles in sich vereint, die Gedanken und Töne sichtbar macht, in Formen und Bewegungen überträgt.
Das Wort „Eurythmie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet: schöne, rhythmisch fließende Bewegung. Es gibt zwar manche Anknüpfung an alte griechische Mysterientänze, doch ist die Eurythmie ihrem Wesen nach neu und modern, weil sie ganz aus dem gegenwärtigen Menschen entsteht. Durch eine vertiefte Wahrnehmungsschulung wird Sprache zur sichtbaren Sprache und Musik zum sichtbaren Gesang. In dieser Verwandlung erlebt und gestaltet sich der Mensch leiblich-seelisch- geistig in gesteigertem Maße. Er nimmt seine schöpferischen Kräfte und die der Natur wahr, entwickelt diese und bringt sie künstlerisch zum Ausdruck.
Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie, entwickelte die Eurythmie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Aus seiner Einsicht in das Wesen des Menschen wird die Menschengestalt in ihrer unerschöpflichen Bewegungsmöglichkeit zum Instrument der Darstellung. Durch die Eurythmie werden die Gesetze von Sprache und Musik in sichtbare Bewegung übersetzt. Marie Steiner von Sievers begleitete diese Arbeit intensiv und mit großem persönlichen Einsatz.
Wird ein Gedicht oder ein Musikstück eurythmisiert, zeigt sich sein Inhalt in Farbe, Lautbild, Rhythmus, Takt und Melodie. Eurythmist und Zuschauer erleben durch die schöpferische Energie von Wort und Ton, wie die Seelenkräfte harmonisiert werden. Das macht die Eurythmie zum wichtigen Gegenpol in der Einseitigkeit des hochtechnisierten 21. Jahrhunderts, das wenig Raum für aufbauende Kräfte und wahres Kunsterleben lässt.